2 Die Entstehung eines internationalen Altkatholizismus und seine ökumenische Orientierung in heutiger Zeit
1889 schlossen sich altkatholische Bischöfe mit ihren Kirchen zur „Utrechter Union“ zusammen. Ein wichtiger Grundlagentext ist die Utrechter Erklärung vom 24. September 1889.
Anlässlich des 100. Jahrestages des Ersten Vatikanums verabschiedeten die altkatholischen Bischöfe eine Erklärung zum 18. Juli 1970.
Offizielle Stellungnahmen zur Frage der Papstdogmen, näher hin der Frage des Primats und der Stellung des Bischofs von Rom als Patriarch des Westens finden sich in der Regel in den ökumenischen Dialogen, die die Altkatholischen Kirchen der Utrechter Union mit anderen Kirchen führten, so etwa mit alle orthodoxen Kirchen, oder mit der Anglikanischen Kirchengemeinschaft, mit der seit 1931 eine Full Communion besteht.
Im Orthodox-Altkatholischen Dialog (1975-1987) sind insbesondere die Texte über die „Unfehlbarkeit (Untrüglichkeit) der Kirche“ (III/5, 1981) und „das Haupt der Kirche“ (III/8, 1983) von Bedeutung, in der die Dialogpartner ihre übereinstimmende Sicht formulierten.
Zur Bedeutung des Konzils wird festgehalten:
„Das ökumenische Konzil, das unter dem Beistand des Heiligen Geistes entscheidet, hat seine Unfehlbarkeit aufgrund seiner Übereinstimmung mit der ganzen katholischen Kirche. Ohne diese Übereinstimmung ist keine Versammlung ein ökumenisches Konzil.“ (III/5)
Über die Autorität des Bischofs von Rom heisst es (III/8):
„Nach der Lehre der Orthodoxen und der Altkatholischen Kirche sind darum alle Dekrete späterer Zeiten, die dem Bischof von Rom eine monokratische und absolute Gewalt über die ganze Kirche zuschreiben und ihn als unfehlbar ansehen, wenn er in der Ausübung seines Amtes ‚als Hirte und Lehrer aller Christen‘ ex cathedra eine Lehre definiert, unannehmbar.“
In den anglikanisch-altkatholischen Theologenkonferenzen (1957-1993 und seit 2008) wurde die Thematik ebenfalls besprochen, etwa „Autorität in der Kirche“ (1982, u.a. über das Verhältnis von Ortskirche und Universalkirche sowie über ARCIC II) und „Primat“ (1985, u.a. über Apostolische Sukzession und Autorität).
Mit dem Zweiten Vatikanischen Konzil (1962-1965) öffnete sich die römisch-katholische Kirche in vielerlei Weise. Auf Länderebene kam es zu bilateralen Dialogen. In der Schweiz besteht seit 1966 die Christkatholisch/Römisch-katholische Gesprächskommission, die „Kontroversthemen im grösseren ekklesiologischen Horizont“ (so Kurt Kardinal Koch im Jahr 2003) betrachtet. 2003/4 wurde die Internationale Römisch-Katholisch/Altkatholische Dialogkommission“ (IRAD) eingerichtet, die ihre Arbeit 2016/17 abschloss und ihre Ergebnisse ihren Auftraggebern zur Verfügung stellte. Die Arbeitsergebnisse sind unter dem Titel „Kirche und Kirchengemeinschaft“ 2016 veröffentlicht. Ein Schluss dieser Kommission lautet, dass „die auf dem Ersten Vatikanum formulierte Lehre des Primates des Papstes, wenn damit der Papst nicht aus der Communio-Struktur herausgelöst wird, nicht mehr das Gewicht einer kirchentrennenden Differenz wie früher haben muss.“ (IRAD, 2016, Nr. 24). Das Lehramt des Bischofs von Rom soll „in den synodal-primatial strukturierten Prozess einer Entscheidungsfindung“ eingebunden sein (IRAD, 2016, Nr. 34).
Die altkatholische Theologie vertritt auch weiterhin den Standpunkt, dass sie einem Ehrenprimat des Papstes, wie er im ersten Jahrtausend in der Kirche des Westens und des Ostens bezeugt war, zustimmen kann. Dies entspricht dem Standpunkt vieler anderer Kirchen, etwa den orthodoxen und den anglikanischen.
Als Ergebnis des römisch-katholisch/altkatholischen Dialogprozesses kann festgehalten werden, dass der Primat des Bischofs von Rom als Dienst an der Einheit der Kirche und ihres Bleibens in der Wahrheit interpretiert werden kann. So könnte er etwa die Kirchen zusammenrufen in bestimmten Situationen von Konflikt und Krise. Das Sprechen und Handeln des Papstes hat immer synodal eingebunden zu sein.